Pro und Contra zur Solarpflicht in Baden-Württemberg

Die baden-württembergische Landesregierung hat beschlossen, die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf bestimmten Gebäuden ab dem Jahr 2022 zur Pflicht zu machen. Dies geschieht im Zuge der Novellierung des Klimaschutzgesetzes, das der Landtag in Stuttgart noch vor der Sommerpause verabschieden soll. Benachteiligt die Solarpflicht in Baden-Württemberg die Solarthermie gegenüber der Photovoltaik? Ein Pro und Contra von unseren Autoren Detlef Koenemann und Jens-Peter Meyer.

Pro: Die sogenannte „Solarpflicht“ in Baden-Württemberg benachteiligt die Solarthermie massiv

Es handelt sich bei der sogenannten „Solarpflicht“ in Baden-Württemberg eindeutig um eine Bevorzugung der Photovoltaik. Schon der Begriff „Solarpflicht“ ist falsch, denn der Gesetzentwurf spricht von einer „Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen auf Dachflächen“. Korrekt ist daher der Begriff Photovoltaik-Pflicht. Im Gesetzentwurf heißt es: „Beim Neubau von Nichtwohngebäuden ist auf der für eine Solarnutzung geeigneten Dachfläche eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung zu installieren […].“ Das Gesetz definiert nicht, „in welchem Umfang eine geeignete Dachfläche zur Pflichterfüllung mindestens genutzt werden muss.“ Das soll das Umweltministerium über eine Verordnung regeln.

Damit ist die Zielsetzung des Gesetzes ungenau. Geht es darum, die lokal zur Verfügung stehende Solarenergie für das Gebäude nutzbar zu machen oder will der Gesetzgeber damit die Photovoltaik fördern? Im ersten Fall wäre es sinnvoll, eine wirkliche „Solarpflicht“ einzuführen, die sowohl Solarstrom als auch Solarwärme in dem Umfang vorschreibt, wie die jeweilige Sonnenenergie im Gebäude sinnvoll genutzt werden kann. Auch Bürogebäude und Lagerhallen benötigen Wärme. Gerade in Lagerhallen kann die Solarthermie, sei es über Technologien wie Luftkollektoren oder Bauteilaktivierung, hohe solare Deckungsanteil erzielen, weil die benötigte Temperatur gering ist. Auch PVT-Kollektoren können hier gut eingesetzt werden und dabei sowohl Strom als auch Wärme liefern.

Die Intention des Gesetzes ist aber wohl eher die Photovoltaik-Förderung, auch wenn laut Gesetz vorhandene Solarthermie-Anlagen auf den Umfang der zu belegenden Dachfläche angerechnet werden. Diese Zielsetzung ist tatsächlich ein Grund zur Beunruhigung für die Solarthermie-Branche. Denn sie zeigt, dass der Gesetzgeber in Richtung „All electric society“ unterwegs ist. Die eigentlich sinnvolle Solarwärme-Nutzung ist keine Pflicht, sondern nur eine Ersatzmaßnahme.

Besonders problematisch ist das, weil die Photovoltaik-Pflicht keineswegs auf Nichtwohngebäude beschränkt bleiben soll. Erklärtes Ziel der Grünen in Baden-Württemberg ist eine Photovoltaik-Pflicht für alle Gebäude. Hamburg ist da schon einen Schritt weiter und will ab 2023 Photovoltaik für alle Neubauten und 2025 auch für Sanierungen der Dachhaut vorschreiben. Auch in Hamburg gilt eine vorhandene Solarthermie als Ersatzmaßnahme. Nicht einmal mehr die neue Errichtung einer Solarthermie-Anlage ist als Ersatzmaßnahme vorgesehen.

Generell ist eine „Solarpflicht“ für alle neuen Gebäude bundesweit sinnvoll, wie sie zum Beispiel die Grüne Bundestagabgeordnete Julia Verlinden fordert. „Entweder Solarstrom oder Solarthermie. Macht die Dächer blau“, so Verlinden in einem Tweet auf Twitter.

Doch machen wir uns nichts vor. Nur wenn eine solche Solarpflicht verbindlich Anteile für Strom und Wärme vorschreibt, oder wenn zuerst die Möglichkeit zum Einbau einer Solarthermieanlage geprüft werden muss, wird sie für die Solarthermie auch einen Effekt haben. Bei einer technologieoffenen Solarpflicht wird die Photovoltaik abräumen. Sie hat den Vorteil, dass sie dank der Jahrzehnte langen EEG-Förderung heute preislich konkurrenzfähig zur fossilen Stromerzeugung ist. Die Solarthermie hat diese Art der Förderung nicht genossen und muss sich gegenüber subventionierten Energieträgern wie Öl und Gas behaupten.

Auch die Wärmeplanung, die in der Novellierung des baden-württembergischen Klimaschutzgesetzes vorgesehen ist, wird die Benachteiligung der Solarthermie nicht aufheben. Während die Photovoltaik-Pflicht gezielt die nur eine Technologie fördert, muss sich die Solarthermie im technologieoffenen Prozess in einem Umfeld behaupten, das strombasierte Lösungen bevorzugt.

Jens-Peter Meyer

Contra: Eine Photovoltaik-Pflicht für Nichtwohngebäude ist sinnvoll

Diese anscheinend eindeutige Bevorzugung der Photovoltaik hat in der Solarthermie-Branche Unruhe gestiftet. Denn eine landesweite „Solar-Pflicht“ sollte eigentlich beiden solaren Energietechnologien zugute kommen, also der Solarthermie ebenso wie der Photovoltaik. Der BSW-Solar hat deshalb darauf hingewirkt, dass der § 8a ergänzt wurde. Dort heißt es nun in Absatz 3: „Zur Erfüllung der Pflicht […] kann ersatzweise auch eine solarthermische Anlage zur Wärmeerzeugung auf der für eine Solarnutzung geeigneten Dachfläche installiert werden.“

Das ist ein schwacher Trost, denn der Vorrang der Photovoltaik wird nicht angetastet. Von einer gleichberechtigten Behandlung beider Solartechnologien kann keine Rede sein. Dennoch ist es fraglich, ob es sich lohnt, an dieser Stelle für Gleichbehandlung zu kämpfen.

Denn die Solar-Pflicht betrifft nicht die Wohngebäude, sondern nur Gewerbegebäude im weistesten Sinne, also Bürogebäude, Parkhäuser, Produktions- und Lagerhallen. Deren ausgedehnte Dachflächen mit Photovoltaik-Modulen zu pflastern, ist sinnvoll, denn je mehr Solarstrom erzeugt wird, desto besser. Solarthermische Kollektoren können auf diesen Dächern wenig ausrichten, denn der Wärmebedarf von Bürogebäuden ist gering und der von Parkhäusern gleich Null.

Ein anderer Paragraph des Klimaschutzgesetzes ist für die Solarthermie viel wichtiger. Denn der § 7 verpflichtet die Stadtkreise und Großen Kreisstädte, bis Ende 2023 einen kommunalen Wärmeplan aufzustellen. Es geht um innovative Quartierskonzepten und den Ausbau von Wärmenetzen. An dieser Stelle kommt die Solarthermie ins Spiel, die sich in immer mehr Nahwärmenetzen bewährt. Sie muss sich aber gegen Blockheizkraftwerke und Großwärmepumpen durchsetzen. Entscheidend wird also sein, ob sich die kommunalen Behörden für die Solarthermie erwärmen können. Den regionalen Solarfirmen bietet das Klimaschutzgesetz eine Chance, in ihrem Sinne auf die kommunale Planung einzuwirken. Diese Chance sollten sie nutzen.

Detlef Koenemann

1 Kommentar

  1. Ich kann die Argumentation von Jens-Peter Meyer sehr gut nachvollziehen, dass im Gesetz mitgemeint bedeutet, Solarthermie ist nie der Plan A.

    Dass Solarwärme auf Bürogebäuden, Parkhäusern, Produktions- und Lagerhallen nicht von Nutzen sind, wie Detlef Koenemann meint, ist kurzsichtig gedacht. Wenn wir die Fernwärme dekarbonisieren wollen, brauchen wir große Anlagen die ins Fernwärmenetz einspeisen, am besten direkt im Stadtgebiet. Da macht man sich dann auch auf die Suche nach genau solchen gewerblichen Dächern, falls eine Fernwärmeleitung vorbeigeht sind das super Flächen für eine ökonomisch günstige solare Fernwärmeeinspeisung. Siehe Beispiel Graz, wo mehrere solche Dächer zusammen bereits 16.000 m2 (11 MWth) Fernwärmeeinspeisung in Betrieb sind.

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