All electric society ist Illusion

Electric Society
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Der Traum von der „all electric society“ lässt außer Acht, dass Strom nicht im Überfluss vorhanden ist. Aber dieser Aspekt kommt in der öffentlichen Debatte zu kurz. Darauf müssen wir hinweisen, damit die Solarthermie ihren Platz in der Energieversorgung behaupten kann. Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Solarthermie-Jahrbuch 2020.

Wenn Elon Musk mit großem Tamtam ein neues Tesla-Modell vorstellt, dann verfolgt seine riesige Fangemeinde wie gebannt seine märchenhafte Show. Das muss ihm der Neid lassen: Von Marketing versteht er etwas.

Jedenfalls hat er verstanden, zwei faszinierende Technologien geschickt miteinander zu verknüpfen. Die Elektrizität als universelle Energiequelle verbindet er mit einem schnittigen, schnellen Auto, das nicht nur zum Statussymbol wurde, sondern darüber hinaus als besonders umweltfreundlich gilt.

Grenzen der Elektromobilität

Mehr Menschen sind deshalb davon überzeugt, dass die Elektrizität unsere ausgedehnten Mobilitätsanspruche erfüllen wird. Sie glauben, dass der Elektromobilität die Zukunft gehört und der Verbrennungsmotor bald auf dem Schrottplatz der Geschichte landet. Sie halten ein Auto für umweltfreundlich, wenn es keinen Auspuff hat. Dann kann man auch mit dem Auto Brötchen holen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

Mit dem Traum von der grenzenlosen, umweltfreundlichen Elektromobilität breitet sich die Illusion der „all electric society“ aus, also die Vorstellung, dass der Strom nicht nur unsere Mobilitätswünsche, sondern bald sämtliche unserer Ansprüche erfüllen kann und wir gar nichts anderes mehr brauchen.

Die „all electric society“ würde wahrscheinlich keine Solarthermie mehr brauchen. Müssen wir uns jetzt Sorgen machen?

Natürlich ist es eine verlockende Aussicht, dass keine Schornsteine mehr rauchen werden, wenn eines Tages nicht nur alle Kohlekraftwerke stillgelegt worden sind, sondern die gesamte Industrieproduktion nur noch elektrische Energie benötigt. Auch die Wohnhäuser werden dann keinen Schornstein mehr haben, weil Wärmepumpen für Behaglichkeit sorgen. Und die Warmwasserspeicher werden direkt mit Solarstrom aufgeheizt, weil er im Überfluss vorhanden ist.

Die „all electric society“ würde voraussichtlich keine Solarthermie mehr brauchen. Müssen wir uns jetzt Sorgen machen?

Sicherlich nicht. Denn wenn sämtliche Energiedienstleistungen elektrisch ablaufen sollen, dann wird sich der Strombedarf voraussichtlich verdoppeln, wenn nicht gar verdreifachen.

Neue Technologien wecken neue Nachfrage

Außerdem wecken neue Technologien eine neue Nachfrage. Das Aufkommen der Elektromobilität bedeutet ja nicht, dass wir eines Tages weniger Autos haben werden, sondern mehr. Wenn dann noch das autonome Fahren massentauglich wird, dann wird kaum noch jemand zu Fuß gehen wollen. Vom Energiehunger des Internet ganz zu schweigen.

Auch der Strombedarf der Industrie wird gigantisch anwachsen, wenn die Prozesse, die auf Verbrennung beruhen, eines Tages nur noch elektrisch ablaufen sollen. Der Verband der Chemischen Industrie hat kürzlich berechnen lassen, wieviel Strom aus erneuerbaren Energien nötig wäre, damit die Branche klimaneutral produzieren kann. Das Ergebnis gibt zu denken. Es wären 628 Terawattstunden notwendig, also mehr, als Deutschland zurzeit insgesamt verbraucht.

Wo sollen die vielen Solar- und Windparks stehen, die erforderlich sind, um den gigantischen Strombedarf der „all electric society“ zu decken?

Den einfachen Lösungen gehört die Zukunft

Die Begeisterung für das Elektroauto und alle weiteren, verlockenden Dienstleistungen des elektrischen Stroms wird bald der Ernüchterung weichen. Denn schon jetzt stößt der weitere Ausbau der Windenergie an Grenzen, und die Photovoltaik kann das verlangsamte Wachstum der Windenergie nicht ausgleichen. Denn je mehr Solarstrom-Überschüsse in den Sommermonaten erzeugt werden, desto mehr Speicher werden erforderlich sein. Beim Ein- und Ausspeichern geht aber viel Energie verloren.

Es kann also nicht der richtige Weg sein, alles auf eine Karte zu setzen und den gesamten Energiebedarf mit Solar- und Windstrom decken zu wollen. Es kommt daher darauf an, in der öffentlichen Diskussion über die Energiewende auf die einfachen Lösungen hinzuweisen.

Die Solarthermie hat den Vorteil, dass sie die Solarenergie direkt in Wärme verwandelt und dass es zum Speichern dieser Wärme nichts weiter braucht als Wasser. Sie benötigt nur wenig Strom, um den Wärmekreislauf in Gang zu halten, wird also den Strombedarf nur unwesentlich erhöhen.

Das ist zwar eine Binsenweisheit, aber offenbar in der allgemeinen Elektro-Euphorie in Vergessenheit geraten. Es wird Zeit, darauf hinzuweisen, damit die Solarthermie ihren Platz auch in Zukunft behaupten kann.

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6 Kommentare

  1. Elektrische Heizungen sehe ich schon als die Zukunft. Vor allem wenn man die Wärmeverteilung in den Räumen auch noch elektrisch macht, dann werden Rohre durch Kabel ersetzt und Heizkörper durch große Heizplatten. Habe ich alles in Österreich schon gesehen – cool – aber das in dem Artikel genannte Problem bleibt einfach bestehen: Wir haben zu wenig Strom für solche Ideen.
    Und wir bräuchten richtig viel Strom um die ganze Wärme zu ersetzen, da bringt auch eine Wärmepumpe wenig (spart zwar den Schornstein, aber braucht immer noch Wasserkreisläufe und Tanks im Keller).
    Also dann lieber doch die lowtec Solarthermie, die holt geschenkte Energie vom Dach und erlubt den Strom für’s Auto oder IT sinnvoller zu nutzen

  2. Der Traum von der Solarthermie lässt außer Acht, dass Dachfläche in geeigneter Ausrichtung nicht im Überfluss vorhanden ist. Aber dieser Aspekt kommt in der öffentlichen Debatte zu kurz. Darauf muss ich hinweisen, damit der Platz der Solarthermie in der Energieversorgung nicht überbewertet wird.

    Die Solarthermie-Anlage kann immer dann Wärme liefern, wenn eine die gleiche Fläche belegende PV-Anlage Strom liefern würde. Allerdings kann die PV auch bei schlechterer Ausrichtung und schwächerer Einstrahlung noch Strom liefern, wenn die Solarthermie nutzlos auf dem Dach liegt.

    Bei 500 kWh/m2 nutzbaren Wärmeertrags einer typischen Solarthermie-Anlage gegenüber 200 kWh/m2 nutzbaren Stromertrags einer typischen PV-Anlage ist auf den ersten Blick die Solarthermie im Vorteil. Da sie aber bei typischer Anwendung ausschließlich minderwertige Anergie liefert, während der PV-Strom immer hochwertige Exergie darstellt, lässt sich der PV-Ertrag wesentlich besser nutzen. Ob mit Wärmepumpe (schon eine Arbeitszahl von 3 liefert mehr Wärme als die Solarthermie), Elektroauto oder im Haushalt: Für den Strom einer PV-Anlage finden sich aufgrund der universellen Wandelbarkeit der Energieform viel mehr Verbraucher.

    Der obige Artikel prognostiziert für die Zukunft einen Strommangel. Wenn aber Strom Mangelware ist, dann sollte doch jede Möglichkeit (bzw. jedes Dach) zur Stromerzeugung verwendet werden. Der Strom bietet dann einerseits die Möglichkeit, die Wärme bereit zu stellen, die auch eine auf gleicher Fläche legende Solarthermie liefern könnte. Andererseits können weitere Überschüsse, die im Falle einer Solarthermie nicht genutzt werden können, für andere Zwecke bereit gestellt werden.

    • Jens Peter Meyer

      4. Juni 2020 at 13:26

      Richtig ist, dass PV hochwertige Exergie bereitstellt. Doch wenn ich mit einer Wärmepumpe PV-Strom zur Wärmebereitstellung nutze, vernichte ich die Exergie und habe am Ende genauso wie bei der Solarthermie nur Anergie. Das Argument zählt aus meiner Sicht daher nicht, der PV bei der Wärmeerzeugung den Vorrang zu geben.
      Außerdem: Untersuchungen haben ergeben, dass Luft-Wärmepumpen eine Jahresarbeitszahl von gerade einmal 2 erreichen. Ein System aus einer solchen Wärmepumpe und PV ist also nicht automatisch effizienter als Solarthermie.
      Das gilt insbesondere für den Winter, wenn die meiste Wärme benötigt wird. Denn sobald die Außentemperatur den Bivalenzpunkt unterschreitet, wird aus einer Luftwärmepumpe eine Stromheizung mit der Arbeitszahl 1.
      Ein Beispiel. Messwerte eines Hauses in Freiburg für Februar 2018: Das Haus hat 326 kWh Strom (5,2 kW-PV-Anlage) und 578 kWh Wärme (14 kW-Solarthermie-Anlage) erzeugt. Der Stromverbrauch lag bei 237 kWh, der Wärmebedarf bei 798 kWh. Wäre die gesamte Dachfläche mit PV belegt, könnte die PV-Anlage etwa um ein Drittel größer sein. Der PV-Ertrag hätte dann bei 487 kWh gelegen. Abzüglich des Stromverbrauches blieben rund 250 kWh für die Wärmepumpe übrig, die (einmal angenommen, es gäbe eine ausreichend großen Speicher) für die Wärmeerzeugung zur Verfügung stünden. Ich glaube nicht, dass eine Luftwärmepumpe unter den Bedingungen im Februar eine Arbeitszahl von mehr als 2 erreicht, um den Ertrag liefern zu können, den die Solarthermie erzielt hat.

      • Bitte einmal mit dem Jahreesarbeitszahlrechner pielen, der realistische WErte berechnet, und ein emoderne LWWP auswählen wie eine Eolf CAH7 oder CAH10, oder eine Panasonic WH-MDC-XXXX. Und versuchen noch auf eine JAZ von 2 zu kommen. Selbst mit 50° Vorlauftemperatur wird in der regel eine JAZ von über 4 erreicht. Ebenso erzielen PV-Module an trüben Wintertagen in W spürbar höhere Erträge als eine Solarthermieanlage, da der Ertrag nicht erst einmal fixe Verluste ausgleichen muss, sondern ab dem ersten Watt das eingestrahlt wird, genutzt werden kann. Und ebenso der Wirkungsgrad mit fallenden Temperturen steigt, und nicht fällt.
        Ich bin eigentlich ein Fan von Jenny-Solarthermiespeicher, und habe damit viel gerechnet, Gebäude simuliert, etc. Aber das Bessere ist der Feind des Guten.
        Und heutige Wärmepumpen holen mit heutiger PV je m² und je € deutlich mehr Wärme vom DAch als ST. Dass dem früher mal anderst war ist richtig, aber die Zeiten ändern sich, es gibt Fortschritt, und der ist bei PV und WP viel schneller als bei ST. Schön für die Umwelt, schlecht für ST-Hersteller. Zudem kommt nun MEyer Burger noch mit Silizium-Petrovskit-mehrschichtsolarzellen um die Ecke, wo aktuell bereits Testmuster für Zellen mit 29% zwar im Labor, aber mit Ferigungsmaschinen und grossen Zellen „vom Band“ laufen, die Fertigung läuft in wenigen Monaten in Deutschland an. Die Technik ist mit den aktuellen Fertigungsmethoden für Wirkungsgraden bis 35% gut. Damit werden die KArten nochmal ganz neu gemischt. Mit derartigen Modulen wird bereits ein Heizsstab zum ernsthaften Konkurrenten für ST, was den ERtrag inkWh/m² im Winter angeht. Tut mir leid dass ich den ST Fans diese schlechte ANchricht überbringen muss. Für die Umwelt freut mich diese Entwicklung überaus.

  3. Eine Haus mit Solarthermie-Anlage auf dem Dach benötigt fast immer einen weiteren Wärmeerzeuger. Dieser muss, damit die Ziele des Klimaschutzabkommens von Paris für 2050 eingehalten werden können, die Wärme für das Haus langfristig CO2-neutral bereitstellen können. Erdgas bzw. Erdöl dürfen nicht verwendet werden.

    Es bleiben deshalb – neben Strom, der laut Autor knapp wird – entweder Energieträger aus nachwachsenden Rohstoffen (Holz, Pellets, Biogas), oder Energieträger, die aus überschüssigem EE-Strom hergestellt werden (P2G, P2L).

    Sollen diese erneuerbaren Energieträger allerdings direkt im Haus verbrannt werden, dann findet wieder nur eine Nutzung der Anergie statt. Die in den Energieträgern enthaltene Exergie wird nicht genutzt. Deshalb ist die direkte Verbrennung ineffizient.

    Besser wäre es, die erneuerbaren Energieträger zu verstromen (wir erinnern uns, Strom ist ja knapp) und diesen Strom in Wärmepumpen zu nutzen. Bereits bei einem Kraftwerkwirkungsgrad von 40%, (40% der Energie wird in wertvolle Exergie gewandelt), kann eine Wärmepumpe mit einer unterdurchschnittlichen Arbeitszahl von 3 viel mehr Wärme bereitstellen als die direkte Verbrennung der gleichen Menge des Energieträgers.

    Die Thermodynamik lässt sich nicht beschummeln: Solarthermie in Kombination mit einer Verbennungsheizung nutzt die durch Sonne und Sekundärenergieträger bereitgestellte Energie wesentlich schlechter als eine Kombination aus PV und Wärmepumpe. Für die Erreichung der Ziele des Klimaschutzabkommens von Paris für 2050 ist ein massiver Ausbau von PV und Wärmepumpen der effizienteste Weg.

    • Jens Peter Meyer

      4. Juni 2020 at 13:38

      Die Feststellung, dass Solarthermie nicht weniger effizient ist als PV und Wärmepumpe, heißt nicht auf Solarthermie in Kombination mit einer Verbennungsheizung zu setzen. Solarthermie lässt sich sehr gut mit PV und Wärmepumpe kombinieren. Kombiniert man ein solches System mit einem großen Wärmespeicher kann man im Winter Dunkelflauten überbrücken und im Sommer und der Übergangszeit ganz auf Solarthermie setzen.
      Für städtische Räume halte ich weder Solarthermie in Kombination mit einer Verbennungsheizung noch Wärmepumpe und PV für eine langfristig gute Lösung. Dort sollten anstelle von dezentralen Lösungen Wärmenetze entstehen und KWK einbinden. Dann kann die Exergie von Energieträgern aus nachwachsenden Rohstoffen (Holz, Pellets, Biogas), oder Energieträgern aus überschüssigem EE-Strom sinnvoll genutzt werden. Weitere Wärmequellen wie industrielle Abwärme, große Solarheizwerke, Großwärmepumpe etc. können dann ebenfalls eingebunden werden.

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