In seinem Neujahrsgruß plädiert Detlef Koenemann, Herausgeber des Solarthermie-Jahrbuchs, dafür, bei einer auf Strom fokussierten Energiewende auch den steigenden Strombedarf mit seinen Konsequenzen zu bedenken.
Im vergangenen Jahr ging der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland im Großen und Ganzen recht zufriedenstellend voran. Zwar beklagte sich die Windenergiebranche über die schleppende Genehmigung neuer Standorte, aber für die Photovoltaik und die Solarthermie lief es besser als erwartet.
Herausragend war der Beschluss der Bundesregierung, die auf dem Meer installierte Windpark-Leistung bis 2030 zu verdoppeln und bis 2040 zu vervierfachen. Von solcher Großzügigkeit können diejenigen, die Wind- und Solarparks an Land errichten, nur träumen. Denn es fällt ihnen immer schwerer, Flächen zu finden. Auf dem Meer ist es einfacher.
Die Sonnenenergie steht uns unbegrenzt zur Verfügung, aber die verfügbaren Flächen sind begrenzt. Deshalb ist die Energiewende in industriell hochentwickelten und dicht besiedelten Nationen am schwierigsten. Wir würden schneller zum Ziel kommen, wenn wir unseren Strombedarf nicht ständig steigern würden. Leider geschieht dies seit einiger Zeit. Die Ansprüche an die Stromerzeugung aus Solar- und Windenergie werden immer weiter in die Höhe getrieben.
Einige träumen bereits von der All Electric Society, in der es keine dampfenden Schlote und keine töffelnden Autos mehr gibt, sondern nur noch Strom, Strom, Strom. Alle Fahrzeuge wären elektrisch angetrieben, alle Gebäude würden durch elektrische Wärmepumpen beheizt werden, und die gesamte Industrie würde nur noch Strom und Wasserstoff verbrauchen, der natürlich ebenfalls aus Ökostrom hergestellt werden müsste.
Dieser schöne Traum zerplatzt aber in dem Augenblick, wenn der dafür erforderliche Strombedarf ins Spiel kommt. Er würde sich mindestens verdreifachen. Diejenigen, die wissen, was das bedeutet, denken bereits über den zukünftigen Import von Öko-Wasserstoff nach. Denn angesichts dieser hohen Ansprüche wird ihnen bewusst, wie klein Deutschland ist.
Vor 40 Jahren waren wir schon weiter. In der Frühphase der Energiewende standen der Verzicht auf überzogene Ansprüche und der Verzicht auf Energie-Importe ganz oben auf der Agenda. Man wollte sich vorrangig auf die eigenen Ressourcen verlassen und nicht wieder von anderen Ländern abhängig sein. Weder von denen, die ihre Ressourcen plündern, noch von denen, die uns erpressen.
Mit der Nutzung der Sonnenenergie sind wir auf der sicheren Seite. Aber nur dann, wenn wir unsere Ansprüche in Bezug setzen zu dem, was tatsächlich vorhanden ist.
Autor des Neujahrsgrußes 2021: Dr. Detlef Koenemann
Lesen Sie auch seinen Kommentar All electric society is illusion, der 2020 eine rege Diskussion ausgelöst hat.
29. Januar 2021 at 11:30
Koenemann hat recht, seit der Ölkrisen in den 1970er Jahren geht es um Energiesparen, damals mit großen Kampagnen in den Massenmedien. Einschränkungen wurden eher akzeptiert, weil die Angst vor Energieknappheit kursierte, wegen den „Grenzen des Wachstums“ und ab der 1990er Jahre Peak Oil, d.h. dass die Öl-Förderung weltweit sinken würde.
Es kam jedoch anders, als gedacht – mit Fracking war Öl plötzlich wieder im Überfluss vorhanden und die Erneuerbaren wurden zügig ausgebaut, was Energiefülle suggeriert. Dass wir die rein erneuerbare Versorgung nur bei halbiertem Energieverbrauch hinbekommen, ist Common Sense – leider nur in Expertenkreisen, bei Bevölkerung und Massenmedien ist diese Erkenntnis noch nicht angekommen. So argumentieren wir mühsam für Einsparungen mit der Senkung von CO2 und Energiekosten. Angst vor Energieknappheit hat heute niemand mehr, das war mal.
Aber der Verzicht auf überzogene Ansprüche ist interessanterweise durch die Brüche wegen Corona wieder auf der Tagesordnung, also von ganz anderer Seite. Das sollten wir aufmerksam verfolgen.