Solarthermie: Die Luft muss raus

Luft in der Leitung ruiniert das Solarfluid. Hartnäckige Blasen können auch ganze Kollektorfelder stilllegen. Das richtige Befüllen einer Solarthermie-Anlage und eine gute Druckhaltung vermeiden den Ärger.

Nicht einmal einen Sommer hat das Solarfluid in der Solarthermie-Testanlage überstanden. Für ein Experiment hatten Projektleiterin Karin Rühling und ihre Kollegen von der TU Dresden absichtlich einen Fehler in eine Anlage eingebaut, der das Entleeren bei Stagnation stark behindert. Das Ergebnis: Das Wärmeträgerfluid hatte sich innerhalb eines Sommers in eine braune Brühe verwandelt. Die Reservealkalität war aufgebraucht, organische Säuren hatten sich gebildet. Ein so verändertes Solarfluid kann innerhalb kurzer Zeit eine Solarthermie-Anlage ruinieren.

Luft schleicht sich leicht in eine Solarheizung ein. Schließlich sind Dichtungen dafür ausgelegt, den Austritt von Wasser zu verhindern, nicht den Eintritt von Luft. Die Luft bleibt nur dann draußen, wenn drinnen zu jeder Zeit und an jedem Punkt ein Überdruck herrscht, also die Druckhaltung korrekt eingestellt ist. Rühling fasst die Hauptverursacher zusammen: zu kleine oder schlecht gewartete Membranausdehnungsgefäße und zu kleine Vorschaltgefäße sind meistens der Ursprung des Übels.

Solarthermie-Anlage richtig befüllen

Doch selbst wenn der Druck stimmt, kann im Solarkreis Luft enthalten sein. Schließlich war die Luft ganz am Anfang überall im System – noch bevor überhaupt Solarfluid eingefüllt wurde. Und oft hält sie sich dort hartnäckig, vor allem in Form von Luftpolstern in lokalen Hochpunkten der Leitungen. Die Dresdner Solarforscher haben an mehreren Modellanlagen ausprobiert, wie man gleich beim Befüllen am besten die Luft aus dem Solarkreis bekommt.

Die klassische Druckbefüllung ist fast immer die Methode der Wahl für Solarthermie-Kleinanlagen. Das Prinzip: Man jagt das Solarfluid mit möglichst hoher Geschwindigkeit durch die Leitungen, sodass es auch die Luftpolster mitreißt, die sich in den Ecken gebildet haben. Damit das klappt, muss das Fluid an jeder Stelle die sogenannte Selbstentlüftungsgeschwindigkeit erreichen. Als Zahl heißt das: Mindestens eine Strömungsgeschwindigkeit von 1 Meter pro Sekunde an jeder Stelle. Wer sich nicht sicher ist, muss zum Taschenrechner greifen und nachrechnen, indem er den maximalen mit der Befüllpumpe erreichbaren Volumenstrom durch den größten Rohrquerschnitt teilt.

Vorsicht bei Verzweigungen in Parallelstränge – natürlich ist hier die Summe der Querschnitte anzusetzen. Indem man den Kugelhahn vor dem Eintritt in den Kanister der Befüllstation mehrmals für einige Sekunden schließt, schafft man noch zusätzliche Impulse mit erhöhter Fließgeschwindigkeit. Das Fluid reißt die Luftblasen mit sich und spült sie über den Schlauch in den Kanister der Befüllstation. Damit sie dort bleiben und nicht wieder in den Solarkreis gepumpt werden, muss der Schlauch auf jeden Fall oberhalb des Flüssigkeitspegels hängen. „Das Fluid wird beim Austritt aus dem Schlauch versprüht, kommt also in direkten Kontakt mit der Umgebungsluft. Dabei gibt es auch Mikroluftblasen frei“, erklärt Rühling. Taucht der Schlauch unter die Oberfläche des Fluids ab, funktioniert das nicht.

Grenzen der Druckbefüllung bei Solarthermie-Anlagen

Wird die Solaranlage größer, kommt die klassische Druckbefüllung oft an ihre Grenzen. Eines der beiden Limits ist die Höhendifferenz zwischen dem Befüllpunkt – also meist dem Keller – und dem höchsten Punkt der Solarthermieanlage. Etwa bei 20 m Höhendifferenz ist Schluss. Das entspricht bei typischen Wohnhäusern etwa fünf Stockwerken. Bei dieser Differenz entsteht am Hochpunkt ein Unterdruck – das Fluid verdampft und es kann auch Luft von außen neu eindringen. Um den Unterdruck zu vermeiden, kann man den Kugelhahn, der vor dem Austritt zum Kanister sitzt, androsseln. Allerdings bringt gerade das in vielen Fällen das Druckbefüllungskonzept an seine zweite Grenze: Mit dem erhöhten Widerstand schafft die Pumpe es nicht mehr, das Fluid auf die benötigte Strömungsgeschwindigkeit zu bringen. Reicht die Strömungsgeschwindigkeit ohne Drosselung noch gerade so, kann man die Druckbefüllung auch vom Hochpunkt aus vornehmen. Bei gut begehbaren Flachdächern ist das theoretisch eine Option. In vielen Fällen wird das aber aus praktischen Gründen nicht machbar sein.

Zweikreisige Druckbefüllung

Wer das Prinzip der Druckbefüllung für größere Anlagen nutzen will, muss sich die Arbeit einteilen. Wenn die berechnete Strömungsgeschwindigkeit im Gesamtkreis bei weniger als 1 Meter pro Sekunde aber mehr als 0,25 Meter pro Sekunde liegt, kommt die zweikreisige Druckbefüllung in Frage. Für die zweikreisige Druckbefüllung unterteilt man den Solarkreis und befüllt Speicher und Kollektor in zwei Schritten. Die beiden Teilkreise haben einen niedrigeren Druckverlust als der Gesamtkreis. Folglich kommt man mit derselben Pumpe auf höhere Strömungsgeschwindigkeiten. In jedem Teilkreis muss man dann aber die Strömungsgeschwindigkeit von 1 Meter pro Sekunde erreichen.

„Das ist vor allem bei Solarspeichern mit integrierten Wärmeübertragern sinnvoll, denn diese besitzen oft größere Rohrquerschnitte als die übrigen Anlagenteile“, sagt Rühling. Hinzu kommen die niedrigen Gefälle in den Rohrwendeln. „In der Zwölf-Uhr-Position setzen sich leicht Gaspolster fest.“

Langsames Befüllen der Solarthermie-Anlage mit Spülen kombinieren

Der Vorteil der Druckbefüllung ist, dass die Luft nach unten gespült wird – einen Entlüfter auf dem Dach braucht man in diesem Fall nicht. Die Alternative zur Druckbefüllung ist das langsame Befüllen von Solarthermie-Anlagen. Die Dresdner Solarforscher empfehlen sie für Großanlagen, bei denen sich wegen der hohen Rohrquerschnitte und Höhendifferenzen mit der Befüllpumpe nur noch Strömungsgeschwindigkeiten von 0,1 Meter pro Sekunde erreichen lassen.

Dabei kann das Fluid allerdings nicht die Luft aus dem fallenden Rohr nach unten schieben. Vielmehr sammelt sich die Luft am höchsten Punkt. Um einen Entlüfter auf dem Dach kommt man bei dieser Variante also nicht herum. „Extrem wichtig ist es, diesen Entlüfter nach der Befüllung sicher abzusperren, da sonst im Stagnationsfall extreme Solarflüssigkeitsverluste auftreten“, betont Rühling.

Luftpolster an lokalen Hochstellen

Luftpolster an lokalen Hochstellen muss man sich bei dieser Befüllvariante im nächsten Schritt vorknöpfen. Am einfachsten ist es natürlich, wenn sie sich gleich bei der Planung vermeiden lassen. Wenn das nicht möglich ist, muss man sie nach dem eigentlichen Befüllen mit hoher Strömungsgeschwindigkeit ausspülen. Da die Fallleitung in diesem Fall bereits mit Fluid gefüllt ist, wird der statische Druck beim Fallen zurückgewonnen – es sind also auch hier mit derselben Pumpe höhere Strömungsgeschwindigkeiten möglich als bei der Druckbefüllung. Außerdem ist es sinnvoll, lokale Hochpunkte separat zu spülen. Bei solarthermischen Großanlagen empfehlen die Dresdner Solarforscher zudem, verbleibende Luft mit Hilfe eines Vakuumentgasers zu entfernen.

Ist die Luft raus?

Bei einer Solarthermie-Kleinanlage gibt es bei einer korrekt ausgeführten Druckbefüllung selten Probleme mit in der Anlage verbliebener Luft. Wer größere Solarthermie-Anlagen installiert oder sich einfach nur vergewissern will, ob sich nicht doch irgendwo noch Luft im System befindet, kann das mit einem von der TU Dresden entwickelten Messverfahren zur Gasblasenkontrolle tun. Das Verfahren beruht darauf, dass sich die Blasen komprimieren lassen, das Solarfluid aber nicht. Dafür benötigt man einen Drucksensor, Absperrarmaturen, Befüll- und Entleereinrichtung sowie einen Messbecher oder eine Waage. Das Verfahren ist in den Veröffentlichungen der TU Dresden beschrieben. Stellt sich heraus, dass die Gasblasen mehr als 2 Prozent des Anlagenvolumens einnehmen, sollte man sie mit einem mobilen Vakuumentgaser eliminieren. Auf Dauer einen Vakuumentgaser einzusetzen hält Rühling bei Solarthermie-Anlagen für überflüssig, sogar für gefährlich. „Wer das braucht, hat bei der Auslegung oder Wartung der Druckhaltung einen Fehler gemacht“, sagt sie.

Weitere Praxistipps zum Thema Solarthermie sind unter dem nebenstehenden Link zu findenn

Eva Augsten

1 Kommentar

  1. Peter Bergstein

    23. September 2021 at 20:45

    Aus diesem Grund bauen wir Aqua Solaranlagen.

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