Foto: Sonnenhaus-Institut / Petra Höglmeier 

Sonnenhäuser zeigen das hohe Potenzial der Solarthermie für einen minimalen Energiebedarf und langfristig planbare Energiekosten. Wird die Solarwärmeanlage mit einer Solarstromanlage ergänzt, sorgt das Sonnenhaus-Konzept für saubere Energie für Wärme, Strom und Mobilität.

Als der Schweizer Solarpionier Josef Jenni Ende der 1980er Jahre das erste Sonnenhaus gebaut hat, war er seiner Zeit weit voraus. Mit der großen Solaranlage auf dem Dach hat er schon damals die Anforderungen an Niedrigstenergie-Häuser erfüllt, wie sie laut EU-Gebäuderichtlinie bald Pflicht sein werden. Denn als erste Definition von „Nearly Zero Energy Buildings“ ist bereits bekannt, dass sie einen fast bei Null liegenden Energiebedarf haben sollen und dass dieser Bedarf zu einem ganz wesentlichen Teil aus lokalen oder regionalen Erneuerbare-Energien-Quellen gedeckt werden soll.

Mit ihrem solaren Bau- und Energiekonzept erfüllen Sonnenhäuser diese Anforderungen schon heute. Im Mittelpunkt stehen dabei große Solarwärmeanlagen, mit denen mindestens die Hälfte der Energie für die Raumheizung und das warme Wasser solar erzeugt wird. Mit einer Photovoltaikanlage können Bauherren ihr umweltschonendes Energiekonzept abrunden und zusätzlich sauberen Strom für den Haushalt und ein Elektroauto selbst erzeugen.

Niedrige Energiekosten

„Unser Ziel ist es, den Bewohnern von Sonnenhäusern eine größtmögliche Unabhängigkeit von Energieversorgern, niedrige, langfristig planbare Energiekosten und einen hohen Wohnkomfort zu bieten“, sagt Georg Dasch, 1. Vorsitzender des Sonnenhaus-Institut e.V. Rund 300 Mitglieder hat der 2004 gegründete Verein. Seine Mitglieder, darunter Architekten, Planer und Installateure, entwickeln das Sonnenhaus-Konzept weiter, beraten interessierte Bauherren und sie planen und bauen Sonnenhäuser. Mittlerweile gibt es über 2.000 solcher weitgehend solar beheizten Gebäude in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol. Der Großteil sind Einfamilienhäuser. Seit ein paar Jahren nimmt der Anteil an Mehrfamilienhäusern und gewerblich genutzten Gebäuden mit Sonnenhaus-Heizung deutlich zu. 

Sonnenhaus-Kriterien

Drei Kriterien muss ein Gebäude erfüllen, damit es als Sonnenhaus gilt. Das „Markenzeichen“ eines Sonnenhauses ist, dass mindestens 50 Prozent des Heizenergiebedarfs mit Solarenergie gedeckt werden. Dies war lange Zeit mit Solarthermie üblich, mittlerweile kann diese Anforderung aber auch mit einer Photovoltaikanlage in Kombination mit einer solarstromgeregelten Wärmepumpe erfüllt werden. Das zweite Merkmal ist der niedrige Primärenergiebedarf. Dieser Wert bezeichnet nicht nur den im Haus anfallenden Energiebedarf, sondern auch die Energiemenge, die durch vorgelagerte Prozessketten bis hin zur Gewinnung, Umwandlung und Verteilung des jeweiligen Energieträgers benötigt wird.

Für Sonnenenergie liegt der Primärenergiefaktor bei Null, für den lokalen Brennstoff Holz ist er sehr niedrig. Da die Solarenergie einen Großteil des Wärmebedarfs in Sonnenhäusern erzeugt, konnten die Fachleute des Sonnenhaus-Instituts einen extrem niedrigen Primärenergiebedarf definieren: Bei neu gebauten Sonnenhäusern darf er 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter Gebäudenutzfläche und Jahr  nicht überschreiten.

Das dritte Kriterium ist die sehr gute Dämmung. Auf die Weise wird der Energiebedarf auf ein Minimum reduziert. Dazu tragen auch Grundsätze der Solararchitektur bei, die bei der baulichen Umsetzung des Sonnenhaus-Konzeptes befolgt werden. So sollte ein Sonnenhaus nach Süden ausgerichtet sein, damit möglichst viel Solarenergie passiv genutzt werden kann. Dies geschieht durch große Fenster und Türen auf der Südseite. Sie lassen Licht und Wärme ins Haus und reduzieren den Energiebedarf.

Für die aktive Nutzung der Sonnen­energie ist die Solarthermieanlage zuständig. Damit die Solarkollektoren möglichst viel Solarenergie erzeugen können, sollten sie auf einer nach Süden orientieren Fläche installiert sein. Bei der Dachfläche ist wichtig, dass sie einen steilen Neigungswinkel hat. So wird die Anlage für die tief stehende Wintersonne optimiert. Aus dem Grund eignen sich auch Fassaden als Montageort.

Die Solarwärme, die nicht für die Raumheizung oder Erwärmung des Dusch- und Trinkwassers benötigt wird, wird in einem Langzeitwärmespeicher für die spätere Nutzung vorgehalten. Wichtig ist, dass der Speicher eine mehrstufige Be- und Entladung hat, denn so werden die unterschiedlichen Temperaturzonen nicht vermischt und das Wasser kann in der gewünschten Temperatur entnommen werden.

Große Bandbreite für das Sonnenhaus-Konzept

Durch technische Weiterentwicklungen können die Wärmespeicher heute deutlich kleiner dimensioniert werden, als es in früheren Zeiten der Fall war. Speichervolumen kann aber auch durch Bauteilaktivierung geschaffen werden. In dem Fall werden Bauteile aus Beton wie der Boden als zusätzliches Speichermedium genutzt. Auch bei den Aufstellorten der Wärmespeicher gibt es Veränderungen. Sie werden immer häufiger innen am Gebäuderand, zum Beispiel auf der Nordseite eines Gebäudes, aufgestellt und nicht mehr zentral im Wohnraum.

Das „Sonnenhaus Standard“ mit Solarthermieanlage und Holzheizung ist der Klassiker unter den Sonnenhäusern. Seit dem Jahr 2014 gibt es offiziell noch weitere Varianten, um den Wünschen der Bauherren Rechnung zu tragen und einen Beitrag zur Energiewende in den Sektoren Wärme, Strom und Mobilität zu leisten. 

„Die Kombination von Sonne und Holz wird auch heute noch von uns favorisiert. Allerdings gibt es auch viele Bauherren und Sanierer, die mit Erdgas nachheizen wollen“, sagt Sonnenhaus-Architekt Georg Dasch. Für sie wurde die Variante „Sonnenhaus f mit fossiler Nachheizung“ entwickelt. „Gas betrachten wir als Brückentechnologie“, erklärt Dasch die Öffnung für fossile Brennstoffe.

Aufgrund der großen Popularität und da das Nutzen von lokal erzeugtem, überschüssigem Solarstrom grundsätzlich sinnvoll ist, hat das Sonnenhaus-Institut außerdem zwei Kategorien für die Einbindung von Solarstromanlagen und unter Einbeziehung des Haushaltstroms geschaffen.

Sonnenhaus mit Solarstrom

Beim „Sonnenhaus Plus“ werden die Primärenergie-Jahresbilanz des selbst erzeugten Stromes einerseits und die insgesamt verbrauchte Primärenergie inklusive Haushaltsstrom andererseits betrachtet. Ziel ist es, mehr Energie solar zu erzeugen als zu verbrauchen.

Beim „Sonnenhaus autark“ geht das Sonnenhaus-Institut noch einen Schritt weiter. Hier liegt der Schwerpunkt auf der weitgehend netzunabhängigen solaren Eigenstromversorgung mit dem Ziel, einen möglichst hohen Autarkiegrad, das heißt 50 Prozent oder mehr, zu erreichen. Voraussetzung für einen hohen Autarkiegrad ist ein sparsamer Stromverbrauch, zum Beispiel mit hocheffizienten Haushaltsgeräten und der weitgehenden Vermeidung strombasierter Wärmeerzeugung. Die Nutzung von Überschüssen für die Elektromobilität ist eine Option, die bei einigen Sonnenhäusern auch schon angewendet wird.

„Die Photovoltaik war schon immer Teil des Energiekonzeptes der Sonnenhäuser, sie fand sich bloß nicht in den Standards“, räumt Georg Dasch ein. Schon das 100-Prozent-Sonnenhaus, das Josef Jenni 1989 im Schweizer Kanton Bern eingeweiht hat, hatte eine Solarthermie- und eine PV-Anlage für die Eigenversorgung. Und auch das erste Sonnenhaus, das Georg Dasch 1998 geplant hat, hatte eine Indach-Photovoltaik-Anlage. „Es gibt zahlreiche Sonnenhäuser mit großen Solarthermie- und Photovoltaik-Anlagen auch aus den Anfangsjahren“, betont Dasch. „Wenn es Platz auf dem Dach gab und die Bauherren es wollten, haben wir Photovoltaik mit gebaut. Damals waren es natürlich Volleinspeiseanlagen, heute sind es Eigenverbrauchsanlagen.“

Wird in einem Sonnenhaus eine Photovoltaikanlage mit einer Wärmepumpe kombiniert, so ist den Experten wichtig, dass diese „solarstromgeregelt“ arbeitet. Dank einer speziellen Regelung, die Mitglieder des Sonnenhaus-Instituts entwickelt haben, wird in diesen Systemen tatsächlich Solarstrom für den Betrieb der Wärmepumpe genutzt.

Energieeinsparung als zweite Rente

Unabhängig davon, um welchen Sonnenhaus-Typ es sich handelt, profitieren die Bewohner von zahlreichen Vorteilen: Der minimale Wärmebedarf erspart ihnen Energiekosten und sie können ihre Ausgaben für Wärme und Strom langfristig planen. Die Einsparung ist weiterhin eine „zweite Rente“ im Alter. Außerdem leisten sie einen persönlichen Beitrag zum Klimaschutz und sie können unbeschwert mit der umweltfreundlich erzeugten, kostenlosen Solarenergie umgehen. Dazu kommt ein hoher Wohnkomfort im Sonnenhaus, zum Beispiel durch sanft temperierte Fußboden- und Wandheizungen und Strahlungswärme vom Holzofen.

Durch das Vermessen zahlreicher Sonnenhäuser hatte das Sonnenhaus-Institut bereits festgestellt, dass ein solarer Deckungsgrad von 50 bis 70 Prozent das wirtschaftliche Optimum ist. Zu einem ähnlichen Ergebnis ist das Forschungsprojekt „HeizSolar“ gekommen. Im Rahmen des Forschungsvorhabens in den Jahren 2010 bis 2015 wurden unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) neun weitgehend solar beheizte Ein- und Mehrfamilienhäuser über mehrere Heizperioden wissenschaftlich begleitet. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass sich das Sonnenhaus-Konzept besonders gut mit dem Effizienzhaus-Standard KfW 55 kombinieren lässt und dass ein solarer Deckungsgrad von 60 Prozent die attraktivste Lösung ist. „Hier kann eine Reduktion des Primärenergiebedarfs zu relativ günstigen Mehrkosten ‚erkauft‘ werden“, heißt es in der BINE-Projektinfo 09/2016 „Sonnenhäuser energetisch und ökonomisch bewertet“ des FIZ Karlsruhe. Das Sonnenhaus-Institut arbeitet daran, die Kosten für die Sonnenhaus-Technik zum Beispiel durch Standardisierung von Komponenten zu reduzieren. Die Mehrkosten im Vergleich zu einer konventionellen Heizung können allerdings durch die derzeit sehr hohe Förderung im Marktanreizprogramm, niedrige Bauzinsen und die Einsparung von Energiekosten kompensiert werden. Wer ein neues Eigenheim mit dem KfW-Effizienzhaus-Standard 40 oder 40+ bauen möchte, kann auch dies mit dem Sonnenhaus-Konzept verwirklichen. Erste Einfamilienhäuser mit den noch relativ neuen Standards gibt es bereits.