Sonnenkollektoren liefern nicht nur im Eigenheim umweltfreundliche Energie. Sie können auch in Mehrfamilienhäusern den Energiehaushalt entlasten. Wie, das zeigen die Beispiele für Solarwärme im Mehrfamilienhaus von einer Eigentümergemeinschaft in Berlin und einer Wohnbaugesellschaft in München.
Martin Schnauss schaut nach der Sonne. Wenn sich in Berlin schöne Tage ankündigen, geht er aus seiner Dachgeschosswohnung in den Keller und schaltet den Pelletsheizkesssel ab. „Für einen Tag lohnt sich das natürlich nicht, aber gerade im Mai, Juni oder August hat es immer wieder stabile Wetterlagen“, sagt er. Warum er dann den Kessel stoppt? Er verschafft der Sonne damit mehr Platz im Speicher. Schnauss wohnt in einem Mehrfamilienhaus, bei dem eine Solarwärmeanlage mit 43 Quadratmetern Kollektorfläche und ein 80-Kilowatt-Holzpelletskessel gemeinsam einen 2.000 Liter fassenden Pufferspeicher und einen 1.000 Liter großen Trinkwassertank aufheizen.
Die beiden Wärmeerzeuger werden aber nicht gemeinsam, sondern jeder für sich geregelt. Wenn Schnauss den Pelletskessel abschaltet, verhindert er, dass der am Morgen anspringt, obwohl es ein schöner Tag mit viel Sonne zu werden verspricht. Die Anlage in Berlin wurde 2006 gebaut. Heute gehören die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Kessel und Solarsystem der Vergangenheit an. Inzwischen bieten die Hersteller entweder Systemregler an oder die Kesselregelung kann zusätzlich die Solaranlage steuern.
Solarwärme im Mehrfamilienhaus: Kollektoren sicher ausführen
Bei großen Kollektorflächen gilt es, auf die Stagnationssicherheit zu schauen. Die Anlage muss eigensicher geplant und ausgeführt sein, denn die Sonnenfänger liefern im Sommer ordentlich Energie. Sollten die Speicher zum Beispiel in Urlaubszeiten wegen des mangelnden Verbrauchs ihre Maximaltemperatur schon früh am Tag erreichen, schaltet der Regler die Pumpe ab. In den Sonnenkollektoren beginnt sich die Wärmeträgerflüssigkeit immer stärker aufzuheizen – bis zu ihrem Siedepunkt. Dann verdampft sie in ein Ausdehnungsgefäß, was einige Minuten bis wenige Stunden dauern kann. Es nimmt das Dampfvolumen auf und schützt so die Solarwärmeanlage vor einem Schaden.
Dazu müssen sich die Sonnenkollektoren gut entleeren können. Ansonsten könnte das Glykol in der Wärmeträgerflüssigkeit zersetzt werden und damit seine Frostschutzwirkung verlieren. Am besten führt dafür mindestens einer der beiden Kollektoranschlüsse auf der Unterseite der Sonnenfänger. Des Weiteren ist die Hydraulik entscheidend, damit das System funktioniert. Die Kollektoren müssen so miteinander verbunden sein, dass sie die Wärmeträgerflüssigkeit möglichst gleichmäßig durchströmt. Ansonsten können sie nicht optimal Wärme liefern.
Temperaturen richtig messen
Speicher halten eine Kombination aus Solarwärmeanlage und Heizungskessel zusammen. Damit die Verbindung funktioniert, muss auf eine effiziente Einspeisung in den Pufferspeicher mit einem intelligenten Regelungskonzept geachtet werden. Die Anschlüsse am Speicher müssen so liegen, dass Heizungsrücklauf oder Zirkulation die Temperaturschichtung nicht stören können. Regelungsfehler vermeidet, wer die Temperaturen an den richtigen Stellen misst. Die maximal zulässige Speichertemperatur zum Beispiel mit einem Fühler am Tankboden messen zu wollen, führt zwangsläufig zu einem schlechten Anlagenbetrieb. Der Temperaturfühler für die Solarwärmeanlage gehört in den wärmsten Kollektor.
Niedrige Systemtemperaturen anstreben
Solaranlagen arbeiten bei niedrigen Systemtemperaturen besonders effektiv. Deshalb bieten sie sich in gut gedämmten Gebäuden mit Niedertemperaturheizung zur Kombination an. Wie in dem Mehrfamilienhaus in Berlin. Es verbraucht weniger als 40 Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnfläche. Schnauss zahlt nur einen niedrigen dreistelligen Euro-Betrag im Jahr an Heizkosten für seine 100 Quadratmeter große Dachgeschosswohnung.
Dass er und kein anderer Bewohner in den Keller geht, hat einen einfachen Grund. Er arbeitet schon lange als Ausbilder und Berater für Solarwärmetechnik. Vor einigen Jahren hat der Solaringenieur an einer Studie über große Solarwärmeanlagen für das Bundesumweltministerium mitgeschrieben. Ihm ist es noch nie passiert, dass die Hausbewohner wegen seiner Handregelung kalt duschen mussten.
Gut und sicher wohnen
Nah der Sonne hat auch der Bauverein Giesing geschaut. Unter dem Motto „Gut und sicher wohnen“ – bietet er im alten Arbeiterviertel Giesing seinen Mitglieder seit 1910 ein günstiges Dach über dem Kopf. „Gut wohnen“ bedeutet für die Wohnungsbaugenossenschaft laut ihrer Internetseite unter anderem, eine gute Wohnqualität mit dem Anspruch auf einen zeitgemäßen Stand der Technik bereitzustellen. „Sicher“ lasse sich ebenfalls in technischer Hinsicht verstehen, insbesondere durch die Modernisierung von Anlagen, Gebäuden und Wohnungen. Die neuen Sonnenkollektoren auf den Dächern ihrer Genossenschaftshäuser in der Warngauerstraße passen bestens zum Leitspruch. Die Solarwärme im Mehrfamilienhaus liefert zeitgemäß und unkompliziert umweltfreundliche Wärme.
Empfohlen hatte ihre Installation das Fachbüro für Energie und Gebäudetechnik Ulrich. Nachdem die Genossenschaft die Bauten mit 55 Wohnungen bereits gedämmt und die Fenster erneuert hatte, ging sie daran, die alte 400KilowattÖlheizung auszutauschen. Als eine Möglichkeit diskutierte sie den Anschluss an das Fernwärmenetz. Das Ingenieurbüro hatte in einem Kostenvergleich dagegen gezeigt, dass der Einbau eines 160-Kilowatt-Gasbrennwertkessels zusammen mit der Montage der Sonnenkollektoren günstiger kommen würde. Zudem konnte die Genossenschaft für die Solarwärmeanlage einen Zuschuss aus dem Marktanreizprogramm beantragen. Insgesamt 16.800 Euro hat es vom Staat gegeben, immerhin ein Viertel der Investitionskosten.
Solarwärmeanlage liefert ein Zehntel
So liefern nun Kollektoren mit einer Fläche von 93 Quadratmetern seit September 2015 nicht nur warmes Wasser für Bäder und Küchen, sondern unterstützen den Gaskessel in den Übergangsmonaten dabei, die Wohnungen warm zu halten. Übers Jahr können die Sonnenfänger etwa 28.000 Kilowattstunden ernten und damit eine Gasmenge von 3.450 Kubikmetern ersetzen. 7.200 Kilogramm Kohlendioxid steigen dadurch weniger in die Atmosphäre auf.
Weil weitere energetischen Modernisierungsmaßnahmen den Wärmebedarf um über die Hälfte gesenkt haben, arbeiten die alten Heizkörper jetzt mit niedrigeren Temperaturen. „Im Frühjahr und im Herbst reichen 40 Grad Celsius im Vorlauf. Das schaffen wir mit der Solarthermie“, erläutert Hermann Ulrich. Die Sonnenenergie wird in einem kellergeschweißten, 5.500 Liter fassenden Puffertank gespeichert. Durch die zusätzliche Einbindung der Solaranlage in die Raumheizung konnte Ulrich den Deckungsanteil am Endenergieverbrauch um vier auf neun Prozent erhöhen.
Solarwärme steigert Energieeinsparung
Der soziale Ansatz von Genossenschaften macht es Ulrich einfacher bei der Argumentation für Solarwärme im Mehrfamilienhaus. „Sie sind meist offener, weil sie keine hohe Rendite erwarten wie beispielsweise eine Wohnbaufirma oder ein Bauträger“, erläutert der Energieexperte. Dennoch muss er meist über die Möglichkeiten der Solarwärmetechnik aufklären. Doch er hat gute Argumente. Der Gesetzgeber werde weiterhin die Anforderungen an die energetische Gebäudesanierung verschärfen. Die Optimierungspotenziale durch verbesserte Dämmung und Luftdichtheit der Gebäude würden jedoch schon jetzt an technische und wirtschaftliche Grenzen stoßen. Außerdem dauere es bis zu 30 Jahre, bis sich eine Wärmedämmung auszahle, die Solarthermie rechne sich dagegen bereits nach zehn bis 15 Jahren.
„Die Erzeugung von Wärme aus der Kraft der Sonne ist seit Jahrzehnten die bewährte und kostengünstige Technik zur Ergänzung der Energieversorgung im Neu oder Sanierungsbau“, wirbt Ulrich für die Solarthermie in einem Schreiben an potenzielle Kunden. „Solarthermie ist supereinfach“, bekräftig er im Gespräch. Es brauche nicht wie zum Beispiel bei einer Photovoltaikanlage viel Verwaltungsaufwand und Zeit für die Steuerabrechnung oder einige Stunden und Kosten für die Wartung wie beispielsweise bei einem Blockheizkraftwerk. Gut und einfach mit Solarthermie wohnen – so könnte das Motto noch vieler Genossenschaften lauten.
Schreibe einen Kommentar