In der zweiten Runde des vom BMU geförderten Projektes Solnet arbeitet das Team weiter am Marktaufbau für solarthermisch unterstützte Wärmenetze. Patrick Geiger, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Solites und Projektleiter von SolnetPlus, berichtet über Vorhaben, Potenziale und Markthemmnisse.

Anfang Juli haben Sie und Ihre Projektpartner Teil 2 des Projektes Solnet 4.0 bekannt gegeben. Darin dreht es sich um die Marktbereitung für solarthermisch unterstützte Wärmenetze. Was ist neu an SolnetPlus?

Patrick Geiger: Das Projekt SolnetPlus soll den weiteren Zubau an neuen solarthermischen Großanlagen verstetigen und verstärken. Konkret sollen bis zum Projektende rund 100 Megawatt an Anlagenleistung zugebaut werden. Ergänzend zu der erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit und der guten Kooperation zwischen den Projektpartnern – Solites, dem Energieeffizienzverband AGFW und dem Hamburg-Institut – ist das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) neu zum Projektkreis hinzugekommen.

Wir wollen die Zielgruppen Kommunen, Wärmeversorger sowie die Energiepolitik und Genehmigungsbehörden direkt adressieren und zentrale Markthemmnisse abbauen. Außerdem werden wir Lösungsansätze, speziell für Wärmenetze im ländlichen Raum sowie für kohlebasierte Wärmenetze im urbanen Raum, entwickeln. Unser Ziel ist es, durch die Aktivierung und Qualifizierung mittels Wissenstransfer sowie durch die Optimierung und Vereinfachung von Genehmigungsprozessen und technischen Lösungen die Technologie Solarthermie in den (Fern-)Wärmenetzen weiter zu etablieren.

Abgerundet beziehungsweise begleitet wird das Projekt durch einen Beirat aus der Industrie-Initiative Solare Wärmenetze, einem Zusammenschluss der Industrie- und Anbieterunternehmen im Bereich von großflächiger Solarthermie.

Der Markt für solare Wärmenetze wächst. Allein 2019 wurden in Deutschland Solarthermie-Anlagen mit 35.000 Quadratmeter Kollektorfläche für Wärmenetze neu installiert. Würden Sie sagen, dass Ihr vorheriges Projekt Solnet 4.0, das von 2017 bis 2019 lief, einen Beitrag dazu geleistet hat? Inwiefern?

Das gute Wachstum von 2019 konnte auch im Jahr 2020 beibehalten werden: Hier lag der Zubau bei knapp 32.000 Quadratmetern und der Trend zeigt weiteres Wachstum. Mit dem Projekt Solnet 4.0 wurde ein solider Grundstein für den Markt in Deutschland geschaffen und ein wirksamer Transport von Wissen und fachlicher Expertise in den Markt und an die Zielgruppe geleistet. Immer mehr Verantwortliche im Wärmeversorgungssektor erkennen in der Solarthermie einen nachhaltigen und zukunftsfähigen Baustein für die dringend notwendige Wärmewende.

Allerdings gibt es auch für das neue Vorhaben SolnetPlus noch viele Baustellen, die zu bearbeiten sind: Die Flächenverfügbarkeit nimmt ab beziehungsweise die Nutzungskonkurrenz wird immer größer. Komplizierte und langwierige Genehmigungsprozesse schrecken Kommunen und Wärmeversorger ab, und die Substitution von fossilen Energieträgern hin zu Erneuerbaren und Solarthermie dauert zu lange. Hier muss auf den Erfolg von Solnet 4.0 aufgebaut und weitergehendes technisches, aber auch nicht-technisches Know-how an den Markt weitergegeben und verbreitet werden.

Das Bundesumweltministerium fördert SolnetPlus im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative. Knapp 990.000 Euro ist das auf drei Jahre angelegte Projekt dem BMU wert. Insgesamt liegt das Projektbudget bei 1,3 Millionen Euro. Was haben die Projektpartner Solites, der AGFW, das Hamburg-Institut und das Difu mit dem Geld vor? Wo liegen Ihre Arbeitsschwerpunkte?

Projektleiter Patrick Geiger. Foto: Solites

Unser Arbeitsziel ist, das bereits vorhandene Wissen in seiner Breite zu nutzen, an notwendigen Stellen weiter zu vertiefen und damit Investoren, Schlüsselakteure und Multiplikatoren mit zielgerichteten Formaten zu adressieren. Wir wollen Handlungskompetenzen der Zielgruppen durch Qualifizierungsangebote wie Veranstaltungen, Planungsworkshops und Schulungen stärken. Auf der Basis von bestehenden Konfigurationen aktuell erfolgreicher solarer Wärmenetz-Projekte werden fachlich-technische Lösungsansätze in Bezug auf Genehmigungsverfahren vor Ort und der Flächenverfügbarkeit entwickelt, zentrale Markthemmnisse abgebaut und daraus konkrete Verbesserungsmöglichkeiten und Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Wo sind Ihrer Meinung nach die größten Hemmnisse, damit noch häufiger große Solarthermie-Anlagen zur Dekarbonisierung von Wärmenetzen gebaut werden?

Es gibt zentrale beziehungsweise übergeordnete Hemmnisse wie langwierige, unstrukturierte und auch in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Genehmigungsverfahren für Freiflächen-Solarthermie-Anlagen. Ebenfalls ist die bereits angesprochene Verfügbarkeit von beziehungsweise die Konkurrenz auf Freiflächen ein wichtiges Thema, da für Solarthermie-Anlagen Kriterien wie die Entfernung zur Heizzentrale berücksichtigt werden müssen.

In den angesprochenen Zielgruppen finden sich zudem noch spezifischere Hemmnisse. In Kommunen fehlt oft die Erfahrung mit Wärmenetzen und Solarthermie-Anlagen oder die Wärmeversorgung wurde noch nicht als kommunale Daseinsvorsorge und Werkzeug für den kommunalen Klimaschutz erkannt. Hilfreich ist hierbei die in Baden-Württemberg mittlerweile verpflichtende, kommunale Wärmeplanung, um das Thema der Wärmeversorgung ganzheitlich zu betrachten.

Auf Seiten der Wärmeversorger, welche letztendlich meistens die Entscheidung zur Investition treffen, gibt es noch immer Vorbehalte gegenüber der Technologie Solarthermie, die auch über SolnetPlus abzubauen sind. Darunter fällt auch fehlendes Fachwissen und Kompetenzen zur Technologie – zum Beispiel: Solarthermie kann nicht einfach an- und abgeschaltet werden, neben der Leistung muss das Temperaturniveau berücksichtigt werden etc. -, aber auch zur Entwicklung von Freiflächen. Außerhalb von großen Städten, die meist ein Stadtwerk haben, liegt im ländlichen Raum die Schwierigkeit auf der Verfügbarkeit von qualifizierten Planern und Projektentwicklern, die den kleinen Kommunen fachlich zur Seite stehen.

Weiterhin spielt auch die geringe Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und Politik von Wärmenetzen, im Speziellen von solaren Wärmenetzen, eine entscheidende Rolle.

Wo verzeichnen Sie aktuell die größten Zuwächse und warum?

Seit ein paar Jahren lokalisieren wir die größten Flächenzuwächse im Bereich der städtischen Fernwärme: Potsdam 5.100 Quadratmeter, Bernburg an der Saale 8.600 Quadratmeter, Ludwigsburg-Kornwestheim 14.700 Quadratmeter, und bald kommt die iKWK-Anlage in Greifswald mit 18.700 Quadratmetern. Auch die spezifische Größe der einzelnen Anlagen nimmt weiter zu und liegt in den Prognosen oft im unteren bis mittleren fünfstelligen Bereich. In den mittelgroßen Städten ist in der Regel bereits ein Wärmenetz vorhanden und die Stadtwerke erkennen Solarthermie als eine zuverlässige Wärmequelle.

Solarthermie trägt zur Dekarbonisierung von Fernwärmenetzen bei. Foto: Ina Röpcke

Weiteres Wachstum ist aktuell im ländlichen Bereich bei den sogenannten Solarenergiedörfern zu verzeichnen. Hier werden, meist in Kombination mit Biomasse, kleinere Anlagen zwischen 1.000 und 3.000 Quadratmeter gebaut, die dann den sommerlichen Wärmebedarf abdecken. Die Herausforderung hier liegt meist im Neubau des Wärmenetzes und der Erreichung der Anschlussdichte. Freiflächen sind in der Regel meist verfügbar, allerdings ist hier die Flächenkonkurrenz sehr hoch, beispielsweise durch die Landwirtschaft und den Natur- und Wasserschutz.

Langfristig betrachtet: In welchem Segment sehen Sie die größten Chancen: Energiedörfer, Anlagen von Stadtwerken oder in der Wohnungswirtschaft? Warum?

Alle drei Segmente bieten erhebliches Potenzial: Um die gesteckten Klimaziele zu erreichen, muss der Gebäudebestand hochwertig energetisch saniert und die Wärme klimaneutral durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Solare Wärmenetze sind hierfür eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz – und die Kommunen bestehen aus Dörfern, Städten und Wohnquartieren. Der Trend zeigt, dass speziell in den Segmenten Energiedörfer und Städte ein großes Wachstum vorhanden ist, das vermutlich in den nächsten Jahren weitergeht. Wie sich der Markt konkret weiterentwickelt, ist schwer vorherzusagen. Das ist zum Beispiel auch davon abhängig, welche regulatorischen Randbedingungen von Seiten der Politik in Bezug auf Energiekosten gesetzt werden.

Wie beurteilen Sie die Fördersituation? Welche Förderung gibt es aktuell in Deutschland für große Solarthermie-Anlagen in Wärmenetzen? Was sollte in Ihren Augen verändert werden?

Im Vergleich zu anderen EU-Ländern steht Deutschland mit der Fördersituation für Solarthermie-Anlagen in Wärmenetzen sehr gut da. Zurzeit gibt es unterschiedliche Förderprogramme, Wärmenetze 4.0, Marktanreizprogramm, Innovative KWK, etc. die mit unterschiedlichen Ansätzen den Zubau befördern. Hinzu kommen vereinzelt Fördermöglichkeiten in einzelnen Bundesländern.

Aktuell warten alle Akteure gespannt auf das neue Bundesförderprogramm energieeffiziente Wärmenetze (BEW) und dessen detaillierten Förderbedingungen, das im Laufe des Jahres kommen soll. Neben der Förderung für Einzelmaßnahmen sowie ganzheitlichen Ansätzen inklusive Machbarkeitsstudien und Wärmenetz-Transformationsplänen kommt aller Voraussicht nach eine Betriebsprämie für solarthermisch erzeugte Wärme, wodurch der Marktentwicklung und dem Zubau von Freiflächen-Solarthermieanlagen nochmals neuer Schub verliehen würde.

Das Interview führte Ina Röpcke.

Mehr Informationen zu solare Wärmenetzen finden Sie hier, zu den Projektpartner von SolnetPlus:

Solites

AGFW

Hamburg-Institut

Difu