Foto: Ritter XL Solar

Große solarthermische Anlagen auf der „grünen Wiese“ können im Sommer ganze Dörfer nahezu vollständig mit Wärme versorgen. Im Winter wird der Wärmebedarf durch Biomasse aus der Region gedeckt.

Seit über zehn Jahren gibt es in Deutschland Bioenergiedörfer. Inzwischen decken fast 200 Gemeinden ihren Strom- und Wärmebedarf mit überwiegend regionalen nachwachsenden Rohstoffen. Meistens kommen dabei bisher Biogas-BHKW zum Einsatz. Zentraler Baustein ist stets ein Wärmenetz, an das sehr viele, manchmal fast alle Gebäude angeschlossen sind und das die meist mit Heizöl betriebenen Einzelheizungen ersetzt.

Als 2013 die Gemeinde Büsingen am Hochrhein zum Bioenergiedorf wurde, erregte das große Aufmerksamkeit weit über die Region und über Fachkreise hinaus, denn das neue Nahwärmenetz verfolgte ein für Deutschland völlig neues Konzept. Während in der Heizperiode weitgehend große Holzkessel mit Hackschnitzeln aus der Region für die Wärmeerzeugung zuständig sind, übernimmt dies im Sommer eine große Solaranlage. Über 1.000 Quadratmeter Vakuumröhrenkollektoren gestatten den Kesseln jedes Jahr mehrere Monate Urlaub.

Damit war die Idee der Solardörfer geboren und findet seitdem immer mehr Nachahmer. 2016 bekamen die Hunsrückgemeinden Neuerkirch und Külz ein gemeinsames Wärmenetz nach diesem Vorbild, 2017 folgte Hallerndorf in Franken und 2018 wuchs die kleine Familie der Solardörfer gleich um fünf Mitglieder: Ellern und Randegg, Nachbargemeinden von Neuerkirch-Külz und Büsingen, Breklum in Nordfriesland sowie Mengsberg in Mittelhessen und Liggeringen am Bodensee. Weitere Projekte sind in Vorbereitung. Bei den ersten sechs der genannten Solardörfer entschied man sich für ein Solarsystem von Ritter XL Solar (siehe Tabelle).

Solardörfer
BüsingenNeuerkirch-KülzHallerndorfBreklumRandeggEllern
Kollektorfläche1.090 m21.422 m21.304 m2652 m22.400 m21.245 m2
Aufstellfläche2.500 m23.700 m23.000 m21.500 m25.700 m23.000 m2
Speichergröße100 m3120 m385 m344 m3300 m3105 m3
Solarertrag pro Jahr560 MWh625 MWh600 MWh290 MWh1.067 MWh575 MWh
Solarquote14%20%22%8%19%16%
Kollektortyp: Ritter XL 19/49 P für alle Projekte

Bei allen Solardörfern genießt das neue Wärmeversorgungskonzept mit Anschlussraten bis über 90 Prozent eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Das liegt an den überzeugenden Argumenten Wirtschaftlichkeit und Komfort, aber auch der Aspekt der regionalen Wertschöpfung anstelle des Energieimports aus fernen Ländern ist für viele durchaus wichtig. Und dem einen oder anderen mag auch das Sahnehäubchen des superschnellen Internets per Glasfaser den letzten Anstoß zum Mitmachen gegeben haben, denn fast immer wurde die Gelegenheit genutzt, mit dem Wärmenetz gleich auch die neueste digitale Infrastruktur mit unter die Straße zu bringen.

Solardörfer können Vorbilder für viele andere Gemeinden und auch für kleine und mittlere Städte sein, denn sie schaffen mit ihrer „Wärmewende in einem Rutsch“ schon heute, was anderswo für 2040 oder 2050 angepeilt wird. Dafür müssen aber auch die technischen Voraussetzungen stimmen, denn das Wärmenetz muss alle Gebäude, so wie sie heute sind, versorgen. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Solaranlage in der Lage sein muss, im Zusammenspiel mit passenden Speichern ohne große Rücksicht auf die oft nicht optimalen Rücklauftemperaturen der angeschlossenen Heizsysteme über einen möglichst großen Zeitraum des Jahres die Netztemperaturen von mindestens 75 Grad Celsius zu liefern (in Randegg sind es für einen Gewerbebetrieb über 100 Grad Celsius) und im Sommer die Speicher möglichst oft mit 105 Grad Celsius aufzuladen.

Trotzdem sind die Speicher umso öfter übervoll und die Solaranlagen schalten bereits vor Sonnenuntergang ab, je größer die vorgesehene Solarquote ist und je mehr der geplanten Netzteilnehmer noch nicht angeschlossen sind. Hier liegt wohl die Ursache dafür, dass man sich bei den meisten dieser Solarprojekte für besonders leistungsstarke Vakuumröhrenkollektoren, für Wasser in den Kollektoren und gegen Solarwärmetauscher entschied.

Aber mögen auch noch so viele Sachargumente dafür sprechen, so muss man doch einen weiteren entscheidenden Erfolgsfaktor dieser Projekte besonders hervorheben: Ohne die Initiative aus der Einwohnerschaft selbst und ohne engagierte Kommunalvertreter gäbe es diese Solardörfer heute nicht.

Rolf Meißner