Flächen für solare Nahwärmeanlagen sind in Deutschland aufgrund des aufwändigen Bebauungsplan-Verfahren schlecht verfügbar. Einige klimaschutzaktive Bürgermeister haben bereits aufgegeben, weil die Suche nach geeigneten Flächen für Solarwärme in ihren Gemeinden zu langwierig und schwierig war. Bärbel Epp von Solarthermalworld.org sprach mit Bene Müller, Co-Vorstand für Vertrieb und Marketing der süddeutschen Solarcomplex AG.

Das 43-köpfige Team von Solarcomplex plant, realisiert und betreibt Wärmenetze im Süden Baden-Württembergs und verkauft die Wärme an kommunale sowie gewerbliche und Wohngebäude. Von den 18 Wärmenetzen haben bisher erst drei Kollektorfelder integriert, zwei weitere solare Nahwärmeanlagen sind in Planung.

Herr Bühler von Ritter XL sagte im Interview: „Der deutsche solare Nahwärmemarkt könnte größer sein, wenn es ausreichend Flächen gäbe“. Stimmen Sie dem zu?

Bene Müller: Ja, auf jeden Fall. Wobei es ja grundsätzlich genug Flächen gibt, nur sind diese eben nicht so einfach verfügbar. Die Grundstücke für solarthermische Großanlagen müssen ja ortsnah gefunden werden, genau dort aber herrscht eine ausgeprägte Spekulationsmentalität. Agrarflächen konkurrieren jetzt schon mit Bauland. Dazu kommt, dass Heizzentralen oder Infrastruktur für regenerativen Wärmeerzeugungsanlagen allgemein nicht privilegiert sind.

Was würde die Privilegierung bedeuten und wie wäre sie zu realisieren?

Müller: Im Baugesetzbuch Paragraph 35 sind die Vorhaben gelistet, die im Außenbereich von Städten und Gemeinden privilegiert geplant und realisiert werden können. Dort ist seit 1997 die Windkraft gelistet und auch sämtliche Bauvorhaben für die allgemeine Elektrizitätsversorgung fallen unter diesen Paragraphen.

 Hier wäre die Bundespolitik gefragt, auch allgemeine regenerative Wärmeversorgungsanlagen aufzunehmen. Das würde bedeuten, dass die Planer zwar immer noch eine Baugenehmigung brauchen, aber vorher kein Bebauungsplan-Verfahren durchführen müssen. Diese Hürde muss unbedingt abgeschafft werden

Was kommt auf die Planer beim Bebauungsplan-Verfahren zu?

Müller Das B-Plan-Verfahren ist aufwändig. Es umfasst Blendgutachten, Umweltaspekte und die unsägliche Alternativenprüfung. Dies ist besonders hinderlich, weil man ja froh sein kann, überhaupt ein geeignetes Grundstück gefunden zu haben. Dann noch nachzuweisen, dass der Standort besser ist als andere, auch wenn diese rein fiktiv sind, ist eine unnötige Hürde.

Wenn solare Nahwärmeanlagen zur Regel werden sollen, müssen hier die Regularien vereinfacht werden. Denn viele Akteure tuen sich das einfach nicht an. Der Stadtwerke-Chef in Radolfzell am Bodensee zum Beispiel hat nach zwei aufwändigen Wärmenetzen, eines mit Solarthermie nun die Fahnen gestrichen und wird wohl solare Nahwärme nicht mehr anstreben.

Erleben Sie diese Schwierigkeiten geeignete Fläche zu finden auch für Windkraftanlagen oder PV?

Müller: Ja, da gibt es auch Schwierigkeiten, aber die sind insofern anders, weil man bei Photovoltaik- und Windanlagen freier ist bei der Standortwahl. Ein Kollektorfeld muss grundsätzlich in der Nähe der Wärmenetze aufgebaut werden, um die Leitungsverluste gering zu halten.

Trotz der Planungshürden betreibt Solarcomplex inzwischen 18 CO2-optimierte Wärmenetze in Deutschland. Worin besteht Ihr Erfolgsrezept?

Müller: Wir haben inzwischen viele Referenzen, das spricht sich unter den Bürgermeistern oder Gemeinderäten rum. Oftmals bekommen wir einen Folgeauftrag aus dem Nachbarort, wenn das Wärmenetz bei der angrenzenden Gemeinde erfolgreich in Betrieb gegangen ist. Wichtig sind aber auch die wirtschaftlichen Argumente. Wir verzichten auf einen Baukostenzuschuss, das heißt jeder Wärmekunde kann kostenlos an das Wärmenetz angeschlossen werden und wir bieten wettbewerbsfähige Wärmepreise.

Wie kommen Sie trotz hoher Anfangsinvestitionen zu kostengünstigen Wärmepreisen?

Müller: Meist nutzen wir Abwärme von Biogas-Anlagen, die bekommen wir von den Landwirten kostenlos. Die Betreiber der Biogas-Anlagen erhalten einen höheren KWK-Bonus, wenn die Abwärme genutzt wird. In Netzen ohne Abwärme-Potential haben wir Solarthermieanlagen realisiert, die ja auch dauerhaft Wärmepreise von 2,5 Cent pro Kilowattstunde bieten, das ist immer noch sehr günstig. Man darf nicht vergessen, dass die Wärmekosten etwa zur Hälfte von den Kapitalkosten für die hohen Investitionen in die neuen Wärmenetze abhängig sind. Sie verbuddeln ja für die Nahwärmenetze mehrere Millionen Euro in der Erde.

Wie ist also genau Ihr Business-Modell?

Müller: Wir planen, bauen und betreiben ein Wärmenetz in den Straßen einer Gemeinde, mit der wir als Grundlage einen Wegenutzungsvertrag (Konzessionsvertrag) abschließen. Dann beliefern wir möglichst viele Gebäude, darunter auch die kommunalen, mit regenerativer Wärmeenergie. Grundsätzlich besteht keine Anschlusspflicht, wir müssen einfach wirtschaftlich attraktiv sein. Natürlich schließen wir Wärmelieferverträge mit möglichst vielen Kunden ab, bevor wir anfangen zu bauen.

Solarcomplex ist seit 2007 eine Aktiengesellschaft. Wollen Sie an die Börse?

Müller: Nein. Die Börse ist an kurzfristigen „Erfolgen“ orientiert – Stichwort: Quartalsberichte – wir an langfristigen. Wir haben heute 1.200 Teilhaber, neben vielen Privatpersonen sind dies auch kleinere und mittlere Unternehmen wie Stadtwerke oder Bürgerenergiegenossenschaften. Wir betreiben eine Aktienplattform, auf der aktuelle Angebot von Aktionären eingestellt sind. Bei Kaufinteresse können Anleger direkt mit den Verkäufern in Kontakt treten.

Das Interview führte Bärbel Epp. Es ist zuvor in englischer Sprache auf www.solarthermalworld.org erschienen.